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Es ist wieder einmal an der Zeit, über die Zukunft zu sprechen – in diesem Fall über den Zustand des Gesundheitswesens im Jahr 2023 und darüber hinaus. Bewaffnet mit einem Computer und einer Kristallkugel stellt Ihnen Dr. Yan Chow, MD, MBA, Global Healthcare Industry Leader bei Automation Anywhere, seine Sicht auf die Trends in der Branche vor.
Dr. Chow: Die Zukunft der Gesundheitsbranche und Patientenversorgung wird durch eine Kombination aus neuen Technologien, Pflegepraktiken, Geschäftsmodellen und aggressiven staatlichen Vorschriften geprägt. Auf der Technologieseite untersuchen wir derzeit die Rolle der künstlichen Intelligenz (KI) und intelligenten Automatisierung bei der Unterstützung aller Bereiche der Pflege. In der klinischen Praxis haben die Telemedizin, die während der Pandemie die vorherrschende Interaktion zwischen Arzt und Patienten war, und ihr Zwilling, die Fernüberwachung von Patienten (Remote Patient Monitoring, RPM), als praktikable Optionen weiter Bestand, während neue Best Practices unter die Lupe genommen werden. Im Handel ist zu erwarten, dass vorausschauende Einzelhandelsunternehmen immer häufiger und auf innovativere Weise Gesundheitsprodukte und -services in ihr Angebot aufnehmen, und dass der Einfluss der Verbraucherorientierung auf die Gestaltung der Patientenversorgung zunimmt. Angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Klimas werden Fusionen und Übernahmen zunehmen, um nachhaltigere und allumfassende Versorgungssysteme zu schaffen.
Beginnen wir mit dem ersten von Ihnen genannten Thema, der künstlichen Intelligenz.
Dr. Chow: Das Aushängeschild für KI im Gesundheitswesen sind die bildbasierten Fachgebiete, also die Radiologie, Pathologie und Dermatologie. KI ist hier besonders geeignet, weil Hunderttausende von Trainingsbildern zur Verfügung stehen und Muster analysiert werden können, um Lungenentzündungen, Krebs und andere Krankheiten zu diagnostizieren. Wo Daten begrenzt sind, wird KI weniger erfolgreich sein, beispielsweise bei seltenen Erkrankungen, die das Fachwissen und die Erfahrung eines viel leistungsfähigeren Computers erfordern, nämlich der medizinischen Fachkraft.
KI kann sogar in Systeme zur Unterstützung klinischer Entscheidungen (Clinical Decision Support System, CDSS) einfließen. Die Entscheidungsfindung ist problematisch, denn wenn KI Behandlungsempfehlungen ausspricht, fällt der traditionelle Wirksamkeitsnachweis in Form von randomisierten kontrollierten Studien möglicherweise weg. Der Wert der KI ist enorm, aber es fällt uns mitunter schwer, sie zu erklären. Heutzutage reicht „Der Computer hat es mir gesagt“ als Rechtfertigung nicht mehr aus. Folglich ergänzt KI den Arzt zwar, ersetzt ihn aber nicht. In Zukunft brauchen wir möglicherweise dedizierte, objektive, von der FDA zugelassene KI-Systeme, die in unserem Namen neue KI-Technologien validieren, die wir niemals vollständig verstehen können.
Dennoch spielen KI und intelligente Automatisierung eine immer wichtigere Rolle bei der Verbesserung von Pflegeergebnissen. Wir bauen das Boot, während wir bereits auf dem offenen Meer treiben.
Und diese Verbesserung lässt sich am zweiten Trend ablesen, oder?
Dr. Chow: Natürlich. Dieser Bereich ist die virtuelle Pflege oder Telemedizin/RPM, die während der Pandemie einen großen Aufschwung erlebte. Und sie scheint sich auch weiterhin zu behaupten. Dennoch hat die Telemedizin auch ihre Nachteile. Wie bei der künstlichen Intelligenz gibt es kaum definierte oder standardisierte Best Practices. Bei telemedizinischen Behandlungen sind die Ärzte also auf sich allein gestellt.
Die meisten medizinischen Fachkräfte nutzen die Telemedizin zur Behandlung gutartiger Erkrankungen. Bei schwerwiegenderen oder komplizierteren Erkrankungen ist ein persönlicher Besuch nach wie vor die bevorzugte Wahl.
Auch hier gilt also, dass die Technik eher eine Ergänzung als ein Ersatz ist.
Wie kann intelligente Automatisierung die Telemedizin verbessern?
Dr. Chow: Zunächst einmal gibt es vor und nach einem telemedizinischen Besuch immer viel zu tun, z. B. bei der Terminplanung, der Patientenregistrierung und der Nachsorge. Diese Prozesse können automatisiert werden, um die Effizienz zu steigern und die Gefahr menschlicher Fehler zu verringern. Jeder Telemedizin-Patient hat ein einzigartiges Setup zu Hause mit unbekannten Schwachstellen. Automatisierung kann helfen, indem sie die schlüsselfertige Einrichtung und Konfiguration eines virtuellen privaten Netzwerks und der Sicherheitseinstellungen ermöglicht.
Die Zukunft der Telemedizin umfasst mehr ferngesteuerte Geräte in den Händen (oder am Körper) der Patienten. Wenn die Einrichtung und der Betrieb dieser Geräte auch nur teilweise automatisiert ist, können Patienten sie effizienter nutzen. Darüber hinaus generieren die Geräte große Datenmengen, die erfasst, aufbereitet, übertragen und analysiert werden müssen. Diese Prozesse können teilweise oder vollständig automatisiert werden, um die richtige Reaktion und Versorgung zu optimieren und zu beschleunigen.
Eine Herausforderung bei der Telemedizin ist die Authentifizierung. Sind die Patienten, die Sie treffen, auch wirklich die Personen, die sie vorgeben zu sein? Um Betrug in Zukunft zu minimieren, könnte Automatisierung dazu beitragen, biometrische Daten von Gesicht, Stimme oder sogar EKG in Remote-Sensorsysteme zu integrieren.
Durch die Pandemie wurde die Versorgung auch über die Arztpraxen hinaus auf nicht traditionelle Orte wie die Wohnung des Patienten und Einzelhandelsgeschäfte ausgedehnt. Wird es diese Betreuungsmöglichkeiten auch weiterhin geben und wie kann die Automatisierung in diesem Bereich helfen?
Dr. Chow: Ich würde Gesundheit im Einzelhandel als dritten Trend bezeichnen. Ketten wie Walgreens, CVS und sogar Walmart haben begonnen, Kliniken vor Ort anzubieten, um leichte Erkrankungen wie Husten und Halsschmerzen zu behandeln und Impfungen durchzuführen. Automatisierung kann die Korrespondenz und den Datenaustausch mit dem Hausarzt des Patienten übernehmen und den mit den Krankenakten verbundenen elektronischen Papierkram erledigen.
Die Zukunft wird wahrscheinlich auch Selbstbedienungskioske zur Behandlung in Einzelhandelsgeschäften umfassen, die mit medizinischem Fachpersonal vernetzt sind. Eigenständige Blutdruckmessstationen als Selbsthilfe gibt es ja bereits.
Selbstbedienungskioske sind eine natürliche Überleitung zu dem von Ihnen erwähnten vierten Trend, der zunehmenden Verbraucherorientierung im Gesundheitswesen.
Dr. Chow: Dank Unternehmen wie Amazon hat sich die Verbraucherorientierung auf alle Branchen ausgeweitet. Das Gesundheitswesen bildet da keine Ausnahme. Die Menschen wollen einen umfassenderen, tieferen und schnelleren Zugang zu Services und Informationen – jederzeit, überall und über das Gerät ihrer Wahl.
Sie nehmen sich die Zeit, um mehr über ihre Gesundheit und ihre Versorgungsmöglichkeiten zu erfahren. Außerdem möchten sie mehr Entscheidungen selbst treffen und erwarten, dass sie eine größere Rolle bei ihrer Versorgung spielen, sei es bei den Rezepten, die sie erhalten, bei Behandlungsplänen oder bei medizinischen Geräten, die mit ihrer Behandlung verbunden sind.
Infolgedessen vermarkten immer mehr Medizingeräte- und Arzneimittelhersteller ihre Produkte direkt an die Verbraucher. Vor einigen Jahren, also vor der Pandemie, bekam ein Patient ein Pulsoximeter wahrscheinlich nur im Beisein eines Arztes zu sehen. Heute sind Oximeter auf Amazon und in Geschäften Alltagsgegenstände. Die Menschen kaufen Produkte, die früher nur auf Rezept erhältlich waren, und stellen selbst eine Vordiagnose, was auch immer man davon halten mag.
Ist das eine positive Entwicklung?
Dr. Chow: Das sei dahingestellt. Fakt ist jedoch, dass es diese Entwicklung gibt. Die Menschen treffen Pflegeentscheidungen auch basierend auf ihrer subjektiven Pflegeerfahrung, von der Terminplanung bis zur Behandlung, basierend auf individuellem Alter und Generationszugehörigkeit, Kultur und einer Vielzahl anderer Faktoren. So wird die Wahl eines Anbieters beispielsweise davon beeinflusst, wie schnell man einen Termin beim Arzt bekommt, wie einfach es ist, einen Termin zu vereinbaren, und sogar davon, wie gut der Arzt in sozialen Netzwerken bewertet wird.
Wie kann die Automatisierung in diesem Zeitalter der Verbraucherorientierung im Gesundheitswesen helfen?
Dr. Chow: Wie ich bereits erwähnt habe, können Automatisierungslösungen entwickelt werden, um die korrekte Einrichtung medizinischer Geräte und ihre Verwendung durch den Patienten zu erleichtern und die Ergebnisse so aufzubereiten und zu formatieren, dass sie für das medizinische Personal leichter zu interpretieren sind. Automatisierung kann auch für die Terminplanung, die Beantwortung allgemeiner Fragen, die Beschleunigung von Ergebnissen und die Integration von Diensten und Daten eingesetzt werden, um die Erfahrung im Gesundheitswesen zu verbessern. Wie bei den Geldautomaten kann es vorkommen, dass Verbraucher in bestimmten Situationen lieber mit einem Selbsthilfesystem als mit einem persönlichen Ansprechpartner arbeiten. Und das unterstützt die Skalierbarkeit des Gesundheitswesens.
Die Konsolidierung von Gesundheitsdienstleistern ist ein weiterer Trend, der von der Automatisierung profitiert.
Dr. Chow: Fusionen und Übernahmen sind im Gesundheitswesen und im Einzelhandel auf dem Vormarsch. Viele nationale oder globale Unternehmen wie Walgreens, CVS, Walmart und Amazon erwerben Krankenversicherungen, Vertriebsfirmen für verschreibungspflichtige Medikamente, medizinische Konzerne und andere verwandte Unternehmen oder gehen Partnerschaften mit ihnen ein, um Patienten ein umfassendes Ökosystem der Gesundheitsversorgung zu bieten. Mit dieser „One-Stop-Shop“-Strategie können Patienten sich an einen einzigen Ort wenden, um ihre gesamte Gesundheitsversorgung in Anspruch zu nehmen. Die potenziellen Synergien und Wettbewerbsvorteile sind unbestreitbar.
Voraussetzung für den Erfolg dieser Strategie ist eine solide Interoperabilität, d. h. die Kommunikation und Koordinierung zwischen allen am Ökosystem beteiligten Stellen, die nahezu in Echtzeit genaue und zuverlässige Ergebnisse liefert. Hier kann die Automatisierung glänzen und alles zusammenführen.
Die Automatisierung kann nationalen und lokalen Gesundheitsunternehmen auch dabei helfen, den letzten Trend zu bewältigen, den ich bereits erwähnt habe und der für viele Organisationen eine große Herausforderung darstellt.
Sie beziehen sich auf den zunehmenden Druck durch gesetzliche Vorschriften.
Dr. Chow: Ja. Unternehmen stehen unter großem Druck, mehr Transparenz zu bieten. Dahinter verbergen sich vier wichtige Gesetze, die das Geschäft mit der Pflege in Zukunft stark beeinflussen werden. Die ersten beiden sind die Transparenzvorschriften für Kostenträger und Leistungserbringer, d. h., wenn Sie als Verbraucher eine Praxis oder ein Geschäft betreten, muss der Leistungserbringer transparent darüber informieren, wie Ihnen die Behandlung in Rechnung gestellt wird und welche Ergebnisse Sie höchstwahrscheinlich erhalten werden.
Die dritte Regel ist der No Surprises Act, der mit dem 21st Century Cures Act (Cures Act) verabschiedet wurde. Das bedeutet, dass Sie von einem Gesundheitsdienstleister einen Kostenvoranschlag nach Treu und Glauben verlangen können, damit Sie, wenn Sie dies wünschen, einen Vergleich zwischen verschiedenen Gesundheitsdienstleistern anstellen können. Das war die ursprüngliche Absicht. Tatsächlich bedeutet das jedoch, dass die Patienten nicht mit einer überraschenden Rechnung in sechsstelliger Höhe konfrontiert werden können.
Und die letzte Verordnung ist die Information Blocking Rule. Seit dem 6. Oktober 2022 können Patienten in die Praxis ihres Arztes gehen und um elektronische Gesundheitsinformationen bitten, zu denen nicht nur die Behandlungsunterlagen, sondern auch alle finanziellen Daten gehören, die die erhaltene Behandlung beeinflusst haben. Die Praxis muss diese Daten innerhalb weniger Tage im HL7 FHIR API-Format bereitstellen, einem von der Regierung festgelegten internationalen Standard.
Wie können Gesundheitsdienstleister diese Vorschriften rechtzeitig und effizient erfüllen? Automatisierungs-Bots mit ihrer Fähigkeit zur schnellen, einfachen und genauen Erfassung, Eingabe, Organisation, Analyse und Berichterstellung aus unterschiedlichen Datenquellen werden bei der Bewältigung dieser Herausforderung eine wesentliche Rolle spielen.
Was kommt als Nächstes?
Dr. Chow: Das Gesundheitswesen ist träge, doch Veränderungen sind unvermeidlich. Die Gesundheitsbranche und die Patientenversorgung werden sich weiter entwickeln und von neuen Technologien, Pflege- und Handelspraktiken sowie staatlichen Vorschriften geprägt. Intelligente Automatisierung wird Organisationen im Gesundheitswesen unabhängig von ihrer Konfiguration und ihren angebotenen Dienstleistungen dabei helfen, die Herausforderungen zu meistern und eine qualitativ hochwertige und reaktionsschnelle Pflege zu bieten. Inmitten all des Trubels in der Technologiebranche ist die Automatisierung ein bewährter erster Schritt zu einer echten Transformation.
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